17.09.2020 ● Redaktion agrajo
Interview mit Boris Voß zum Programm „High Potentials“
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ und die Brückenmaßnahme „High Potentials“ des gemeinnützigen Netzwerks Lippe zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Herr Voß, der Projektkoordinator hat uns das Projekt im folgenden Interview vorgestellt. Danke dafür!
Wann und wie kam es zur Gründung des gemeinnützigen Netzwerks Lippe?
Die Netzwerk Lippe GmbH wurde 1995 als kommunale Beschäftigungsförderungs- und Qualifizierungsgesellschaft des Kreises Lippe gegründet. Damals war Langzeitarbeitslosigkeit eine große Herausforderung, heute ist es der Fachkräftemangel. Diesem stellen wir uns mit vielfältigen Angeboten und Personaldienstleistungen für die Beratung und Vermittlung sowie der Qualifizierung von arbeitssuchenden Personen und Beschäftigten.
Die Brückenmaßnahme „High Potentials“ ist eine von den vielfältigen Angeboten der Qualifizierung in Ihrem Hause. Wer ist genau die Zielgruppe? Und was soll erreicht werden?
„High Potentials“ wird im Rahmen des IQ Netzwerks Nordrhein-Westfalen umgesetzt und aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Europäischen Sozialfonds finanziert. Die Zielgruppe sind Migrantinnen und Migranten mit Hochschulabschluss, insbesondere aus dem technischen Bereich (sog. MINT-Berufe).
Viele von ihnen haben einen Fluchthintergrund. Neben Bau-, Elektro- und Maschinenbauingenieuren werden auch Agraringenieure unterstützt. Der im Ausland erworbene Abschluss konnte in der Regel bereits anerkannt werden – auch hier haben wir ein Beratungsangebot, um Ratsuchende zu unterstützen.
Ziel unserer Maßnahme „High Potentials“ ist die Begleitung und Qualifizierung der Zielgruppe, um die Chancen einer qualifikations- oder berufsadäquaten Beschäftigung zu erhöhen.
Fachkräftemängel herrscht in Deutschland auch in der Landwirtschaft – Schulen Sie die Agraringenieure mit Fluchthintergrund auch für die hiesigen Anforderungen der Agrarbranche?
Die Agraringenieure, die bei uns mitmachen, haben es besonders schwer, da sich die Berufsbilder und Einsatzgebiete in der Landschaft hierzulande von denen in den Heimatländern unterscheiden. Auch wenn wir keine fachspezifischen Schulungen für die Agrarbranche anbieten können, so ist es unser Bestreben, den Ratsuchenden wichtige Grundlagen zur Arbeitswelt in Deutschland zu vermitteln und hilfreiche Betriebskontakte herzustellen.
Wie sind solche Schulungen aufgebaut?
Zurzeit – genauer gesagt seit diesem Frühjahr – bieten wir als Folge der Pandemie überwiegend Online-Seminare an. Es handelt sich um kürzere Einheiten von wenigen Stunden. Auf Präsenzseminare wird jedoch nicht ganz verzichtet. Insgesamt behandeln wir Themen zu sozialen Kompetenzen, Kommunikation, beruflicher Orientierung sowie methodischen Fachkompetenzen, z. B. Projektmanagement.
Die Ratsuchenden wählen aus einem Semesterprogramm die für sie interessanten und relevanten Schulungen aus.
Was ist die größte Herausforderung, Fachkräfte in die Agrarbranche Deutschlands zu vermitteln?
Wie bereits erwähnt, sieht das Berufsbild der Agraringenieure in den Herkunftsländern der Teilnehmenden teilweise ganz anders aus. Außerdem fehlen den Fachkräften oft die Kenntnisse der deutschen Fachsprache im Agrarsektor. Für viele von ihnen stellt ein Praktikum eine interessante Möglichkeit dar, um erst einmal in einen Betrieb hineinzuschnuppern und das berufsbezogene Deutsch am Arbeitsplatz zu trainieren. Allerdings sind die Angebote an geeigneten Praktikumsplätzen rar.
Können Sie ein Beispiel eines zugewanderten Agraringenieurs nennen, den sie gut für den hiesigen Arbeitsmarkt vorbereitet haben?
Da fällt mir ein Ratsuchender aus Syrien ein, der ursprünglich Agrarwirtschaft an der Universität in Damaskus studiert und später einen PhD in Pflanzenpathologie erworben hat. Viele Jahre war er als Forscher in einem Labor für Pflanzenvirologie tätig. Im März 2017 ist er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Nach dem Erwerb guter Deutschkenntnisse konnte er bereits im Februar 2018 in unsere Maßnahme „High Potentials“ einsteigen und dort verschiedene Module besuchen.
In dieser Zeit konnte er für sich Informationen zum Arbeitsmarkt in Deutschland sammeln und sich auf Arbeitsstellen bewerben. Dann ergab sich für ihn eine wunderbare Chance eines Post-Doc-Stipendiums der Universität Karlsruhe, die er in diesem Jahr ergriffen hat. Jetzt ist er für erst einmal zwei Jahre wieder in der Forschung im Bereich Pflanzenzellbiologie tätig und ist begeistert von dem hohen Niveau in einem deutschen Labor. Nach dem Stipendium erhofft er sich eine längerfristige Arbeitsstelle in der Agrarforschung.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Arbeitgebern aus?
Die Herstellung von Betriebskontakten ist uns sehr wichtig. Zur Vernetzung mit Arbeitgebern und zur Sicherstellung einer hohen Praxisorientierung suchen wir immer wieder die Möglichkeiten der Kooperation. Für die Agraringenieure haben wir im letzten Jahr einen speziellen Agrar-Fachtag organisiert, bei dem sich neben der Landwirtschaftskammer auch zwei Arbeitgeber beteiligt haben.
In diesem Jahr wird es ein Online-Format geben. Dabei wird es beispielsweise Vorträge von dem internationalen Landmaschinenhersteller CLAAS KGaA mbH geben.
Was ist Ihr Rat an Young Professionals, gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie?
Nutzen Sie die Zeit für Weiterbildungen in Ihrem Beruf. Das ist wichtig, um den Anschluss nicht zu verlieren. Auch wenn sich der Arbeitsmarkt augenblicklich in der Krise befindet, ist es nach wie vor nicht ausgeschlossen, eine gute Arbeitsstelle zu erhalten. Immer wieder bekommen wir mit, wie gut ausgebildete Teilnehmende auch in diesen Zeiten vermittelt werden konnten. Daher der Rat: Auf keinen Fall aufgeben!
Du möchtest noch weitere Infos?? Hier geht’s zur Website vom Netzwerk Lippe.
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